Römer 8:28ff – Gibt es eine Vorherbestimmung?
Hat Gott vorherbestimmt, wer sein Kind wird, und wer nicht?
Heute morgen, in der Gebetszeit mit meinen Geschwistern, las ich folgende Bibelstelle:
"Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind. Denn die er zuvor ersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Ebenbild seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen, die er aber berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt, die er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht."
(Römerbrief, Kapitel 8, Verse 28-30; nach "Schlachter 2000")

Stephan Kobabe, Braunlage, 31.07.2019
Und ist es nicht ein ziemlich ungerechter Gott,
der auf der einen Seite so tut, als achte er den freien Willen des Menschen,
auf der anderen Seite aber schon im Vorfeld in seiner Souveränität festgelegt hat, wer errettet wird?
Lange Zeit versuchte ich mir den Sinn dieser Verse so zu erklären: Gott weiß schon im Vorfeld, wer sein Kind wird. Er hat es nicht selbst festgelegt, sondern er weiß es einfach (vorausschauend). Denn Gott ist allwissend. Da wir als einfache Menschen es aber nicht wissen (können), bleibt es unsere Aufgabe, weiterhin allen Menschen das Evangelium zu verkünden. Denn nur so können auch die, die für die Errettung vorgesehen sind, auch tatsächlich errettet werden...
Wenn wir genau in den Text schauen, steht hier aber etwas ganz anderes. Und dies war eine weitere Erkenntnis für mich, die einen Knoten in meinem geistlichen Denken auflöste. Wer sich die verschiedenen Bibelübersetzungen einmal anschauen möchte, dem empfehle ich die Webseite https://www.bibleserver.com/. Für die Arbeit mit dem Urtext (in diesem Fall: Griechisch) benutze ich weitestgehend die Seite https://biblehub.com/, die aber nur in Englisch ist.
[Es wäre ein Segen, wenn es diese Seite auch im Deutschen gebe.]
In der Übersetzung "Schlachter 2000", die ich aufgrund ihrer Genauigkeit sehr schätze, lesen wir:
Vers 28: "...denen, die nach dem Vorsatz berufen sind..."
Im Griechischen wird für "Vorsatz" das Wort "prothesis" (Strongs Nr. 4286). Die Definition dieses Wortes ist "Darlegung", "Vorschlag" und "Schaubrot" (heiliges Brot im Judentum"). Und plötzlich wurde mir klar, dass hier eigentlich stehen müsste: "Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die als "seine Schaubrote" berufen sind." Dies klingt zunächst ungewohnt und komisch. Doch ich will damit nur deutlich machen, um was es meiner Meinung nach Paulus geht. (Kurz zur Erinnerung: Paulus, der Autor dieser Verse, war ein ehemaliger Schriftgelehrter, ein religiöser Lehrer im Judentum! Es macht also durchaus Sinn, dass gerade er den Vergleich zu den Schaubroten aufstellt!)
Was waren die Schaubrote in Israel?
Die Schaubrote (Hebräisch: "lechem hapanim" - "Brote des Angesichts") wurden ins Allerheiligste vor Gott gelegt.

Sie galten als heilig und waren ein Zeichen des Bundes mit Gott. Das erinnert mich an die Worte, die Jesus einmal von sich sagte: "Ich bin das Brot des Lebens!" An der Stelle wird zwar nicht das Wort "prothesis" benutzt. Dennoch sehe ich starke Parallelen zum Verständnis dieses Textes. So wie Jesus das Brot des Lebens ist, so sind auch wir von seinem Vater durch ihn zu (so etwas wie) "Schaubroten" berufen:
Zu Kindern Gottes, die im Allerheiligsten leben
und durch den Heiligen Geist (in ihnen)
ein Zeichen des ewigen Bundes zwischen Jesus und dem Vater sind!
Schauen wir nach dieser kurzen Erklärung noch einmal in diese Stelle. Ich passe die Übersetzung direkt auch an:
"28 Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die [als Schaubrote im Allerheiligsten zum Zeichen des Bundes mit Gott] berufen sind.
29 Denn die er zuvor ersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt..."
"29 Denn die er zuvor ersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dem Ebenbild seines Sohnes gleichgestaltet zu werden..."
Ein sehr interessanter Gedanke, finde ich...